13 Nights 2020: Dressed to Kill

Langzeitstudent
von Thomas Hemsley

Brian De Palma wird fälschlicherweise immer noch gerne als Hitchcock-Epigone, oder allgemeiner: als bloßer Imitator, wahrgenommen. Dabei sollte es inzwischen klar sein, dass er vielmehr ein Wissenschaftler ist, der die Gesellschaft und das Kino meist satirisch erforscht.

Seine Werkszeuge sind dabei vor allem Kamera (Ralf D. Bode), Schnitt (Gerald B. Greenberg), Musik (Pino Donaggio) und Schauspieler (Angie Dickinson, Nancy Allen, Michael Caine). Seine Methoden sind Suspense, Splitscreen/-diopter, Plansequenzen, POV-Szenen, Zeitlupe, metafilmische Gags (er zeigt sich da von seiner bitterbösesten, ironischsten Seite) und geradezu fugenhaft durchkomponierte set pieces (Sequenzen reinsten Kinos, wie dieser unglaublich erotische wie witzige und spannende Museumsbalztanz). Sein Lieblingsstudienobjekt ist natürlich: Hitchcock – in diesem spezifischen Fall die Splitter, Risse (bzw. Schnitte) und Verwerfungen, die „Psycho“, eine Splittergranate von einem Film, in der amerikanischen (Kino-)Seele hinterlassen hat.

Er vergrößert, erhitzt, vermischt, analysiert und interpretiert dabei in seinem cineastischen Labor die Hauptthemen Sexualität und meist mit ihr zusammenhängende brutalste Gewalt, Gender, Identität – allerdings auf eine Art, die heute höchstwahrscheinlich für Empörung sorgen würde – und Psychiatrie, vor allem um diese ad absurdum zu führen. Und natürlich Voyeurismus und Überwachung.

Im Jahr. in dem das 60jährige Jubiläum von „Psycho“, das 30jährige von „Dressed to Kill“ und der 80. Geburtstag von De Palma zusammenkommen, sollte man diesen Film, der teilweise den Meister Hitchcock auf seinem eigenen Gebiet übertrifft, nicht nur noch mal anschauen, sondern genau anschauen, und dem Meister De Palma endlich die verdiente Anerkennung zuteil werden lassen.

Fußnote: Im Übrigen ist der Film aber auch das Hauptstück seiner Studienreihe über die Dusche als ultimativen Kino-Ort, was vielleicht die wichtigste Hinterlassenschaft von „Psycho“ ist.

Foto: © MGM / Sony