Früher – das heißt in „Paranoia“ von Robert Luketic vor der Finanzkrise – war alles irgendwie geschmeidiger. Leistung wurde noch mit Aufstieg belohnt. Der amerikanische Traum war noch keine Illusion oder zumindest als solche nicht erkennbar. Und auch Apple-Chef Steve Jobs präsentierte seine Produkte noch mit dieser eigenen Mischung aus Messeandacht, Hippe-Happening und Geschichtenerzählen mit Papa. Es war eine schöne heile Start-Up Welt. Alles schien möglich.
Heute hingegen verliert Technikvisionär Adam Cassidy (Liam Hemsworth) die Zusatzversicherung, die die Krankenhausrechnungen für die Behandlung seines Vaters decken sollte, weil sein Arbeitgeber diese kurzerhand wegrationalisiert hat. Doch Adam ist nicht auf den Kopf gefallen und pitcht dem bitchigen Boss, Konzerngründer Nicolas Wyatt (Gary Oldman), kurzerhand eine Idee, die das Smartphone mit dem Fernsehgerät verbindet. Wyatt kann sich allerdings nicht für diese tatsächlich stumpfsinnige Idee begeistern, weshalb Adam aus Wut über die Abfuhr des Chefs seine Kollegen spontan in den heißesten Club der Stadt einlädt und mal eben 16.000 Dollar mit seiner noch nicht gesperrten Firmenkreditkarte verbrät. (Wer’s braucht.) Dass er damit nicht durchkommt, geht Adam am nächsten Tag glühendheiß auf. Prompt wird er vom Ex-Chef für dessen Machenschaften missbraucht. Wyatt steht vor dem Konkurs und will beim Konkurrenten Eikon mittels Industriespionage einen Vorteil gewinnen. Adam soll sich mit Firmenchef Goddard (Harrison Ford) anfreunden und so die neueste Errungenschaft aus dem Hause Eikon stehlen. Macht sich der smarte Goldjunge anfangs als Spielball ganz gut, beginnt er bald eigene Gedanken zu entwickeln, mit dem FBI zusammenzuarbeiten und seine Skills zu nutzen, um doch noch irgendwie heil aus der Sache rauszukommen.
Klar, in den Kontrahenten Wyatt und Goddard lassen sich Patentstreitereien großer Telefonhersteller genauso hineininterpretieren wie die Gründungsmythen einiger amerikanischer Technologieunternehmen. Das war es dann aber schon mit den Fähigkeiten dieses Kuschel-Thrillers. „Paranoia“ will alles richtig machen, als hätte ein Algorithmus das Drehbuch geschrieben und dabei noch die bösen Technologieriesen aus der David-Perspektive mit der eigenen Gier und Machtsucht zu konfrontieren versucht. Doch wie Adams Vater ist die Dramaturgie des Filmes entweder auf der Ausklappcouch vor dem Fernseher hängen geblieben oder schleppt sich träge durch die Zeit. Adams Frauchen, erst ganz thoughe Businessfrau, dann zahm wie ein Hamster auf Prozac, verzeiht dem charming Tech-Boy-Toy auch noch den allergrößten Bockmist mit Augenaufschlägen, bei denen jeder Boxsack Risse bekommt. Kev, Adams Programmierkollege und best buddy, wird der Zielgruppe wegen der Look und das Charisma eines Otacon aus der Metal-Gear-Solid-Videospiel-Reihe übergestülpt. Die einfallslose Kameraarbeit sorgt mit wahllos aneinander gereihten Großaufnahmen immerhin dafür, dass die Zuschauer das Figurenrepertoire prima auf dem Smartphone anschauen können, während sie in der S-Bahn durch die City gurken. Wer braucht schon ein Kino für diesen High-Tech-Schmarn von Film. Hin und wieder werden ein paar Dialogzeilen fluffig wie ein Pustekuchen eingestreut, die nach der ganz großen Big-Data-Kritik klingen sollen.
Wenn alles nichts hilft, fügt man dem Filmtitel einen fetzigen Untertitel hinzu und setzt die Schrift auf dem Filmplakat kursiv. Da kommt die Bewegung auf, zu die der Film sonst nur ansetzt, wenn mal wieder ein neues Fahrzeugmodell in Szene gesetzt werden muss. Das Auto ist in „Paranoia“ Symbol für sozialen Aufstieg und Kontrolle zugleich. Jeder Schritt Adams wird mit einem neuen Wagen honoriert. Passend dazu wird er von den schwarzen SUVs der Schergen Wyatts verfolgt und eingekeilt. Die Darstellung des Autos ist der interessanteste Kniff in „Paranoia“. Noch in der letzten Szene wird ein neues Modell ins Bild geschoben. Adam will seinen Vater nach Hause bringen, der mit Blick auf des Sohnemanns neuen Flitzer sogleich fragt, ob Adam denn nichts aus den Geschehnissen gelernt hätte. Doch, wiegelt der (ganz Werbeprofi) ab, die Karre sei doch nur geliehen.
„Paranoia“ ist so unterhaltsam wie die Vorstellungen des allerneuesten Technik-Mülls aus dem Hause Apple oder Samsung. Die Spannung sackt gnadenlos in sich zusammen angesichts des fehlenden Entwicklungspotentials und Einfallsreichtums. So wie Apple und Co. uns jedes Jahr aufs Neue mit einem neuen Telefon die Revolution versprechen, die sich in seismographisch kaum wahrnehmbaren Verbesserungen des Bestehenden erschöpft, spult auch dieser Streifen sein Programm einigermaßen professionell runter. Irgendwer wird den Mist schon kaufen.