Hans ist gestorben – und jetzt reisen seine Kinder mit ihren Partnern zur Beerdigung in die Steiermark an. Dass plötzlich mit Kyra eine weitere Schwester in der Tür steht, ist nur die erste Überraschung. Viele weitere werden folgen, denn Hans war der charismatische Anführer einer Landkommune, der – wie es einmal heißt – alles toll fand, wenn es „antikapitalistisch, antiautoritär und zehn Meter von ihm entfernt“ war.
Revolutioniert werden sollte die Lebensform der Familie, aber die Sehnsucht nach Familie nagt hier von allen Seiten. Bezeichnenderweise ist es ausgerechnet die Außenseiterin Sophie, die noch immer behauptet: „Familie ist überbewertet.“ Man denkt unwillkürlich an Pia Marais‘ „Die Unerzogenen“, der ja auch mit Nachdruck einstige Utopien verabschiedete. Und richtig: Mit großer Geduld und einigen Rückblenden beobachtet die Österreicherin Marie Kreutzer ihr vorzügliches Ensemble dabei, wie in diesem leisen Familiendrama eine Leiche nach der anderen aus dem Keller geholt wird.
Am Schluss sind alle Karten neu gemischt und das dunkle Geheimnis um Kyra gelöst: vielleicht war das damals doch nicht so eine gute Idee mit der antiautoritären Erziehung. Vielleicht war es auch nur die Bequemlichkeit der Erwachsenen und Konfliktscheu die andere Seite der Medaille. Andererseits haben die alten Träume vom besseren Leben mehr Charme als die Gegenwart.
In Österreich wurde „Die Vaterlosen“ bereits mit Preisen geradezu überhäuft, was dann doch etwas erstaunt, weil der Film nach gut der Hälfte unvermittelt anfängt, in der Manier eines konventionellen Fernsehspiels ein Rätsel zu lösen – und seinen Kredit zu verspielen. Von diesem Moment an – und das kann einen schon sehr ärgern – wird hier alles sehr eindeutig, sehr unmissverständlich und was nicht passt, wird passend gemacht. Sogar wider die angelegten Möglichkeiten! So, als sei die antiautoritäre Erziehung nur ein anderes Wort für Vernachlässigung der elterlichen Aufsichtspflicht. Aber selbst das größte Unglück entspringt hier dem naiven Wunsch, Familie sein zu dürfen. Ein Blick in den Abgrund, vor dem Marie Kreuzer leider zurückgeschreckt ist. Am Schluss könnte diese seltsame Familienaufstellung problemlos auch ein Klassentreffen gewesen sein. Was es dann doch irgendwie nicht trifft.