Jafaar (Sasson Gabay) ist ein glückloser Fischer von trauriger Gestalt. „Und wieder nur Dreck“, flucht er leise, wenn sich in seinem Netz außer ein paar kleinen Fischen wieder einmal hauptsächlich Zivilisationsmüll findet. Auf dem Markt kauert er vor seinem mickrigen Fang wie ein Häuflein Elend. Und gegenüber seiner geduldigen Frau Fatima (Baya Belal) muss er mal wieder eine kleine Lügengeschichte erfinden, denn Schulden bedrohen den kümmerlichen Haushalt. Was so märchenhaft tragikomisch beginnt und in guter filmgeschichtlicher Tradition mit Humor den Kampf eines leidgeprüften Helden gegen widrige Lebensumstände beschreibt, hat doch einen ernsten politischen Hintergrund. Denn Jafaar lebt im Gaza-Streifen, wo die Wege auf Schritt und Tritt von Grenzzäunen markiert sind und scharf kontrolliert werden. Sylvain Estibals Komödie „Das Schwein von Gaza“ ist insofern durchzogen von Zäunen, Mauern und Checkpoints. Selbst die Fischfangzonen sind reglementiert. Und auf dem Dach von Jafaars marodem Haus patrouillieren zwei junge israelische Soldaten.
Dieses absurde Bild ist neben vielen anderen natürlich symbolisch gemeint. Der französische Schriftsteller und Journalist Sylvain Estibal verwendet es, um in seinem Debütfilm die paradoxe Situation der festgefahrenen Verhältnisse zwischen Juden und Palästinensern zu zeigen. Als Jafaar eines denkwürdigen Tages auch noch ein vietnamesisches Hängebauchschwein aus dem Meer fischt, erreicht die Problem- und Konfliktlage eine neue symbolische Stufe. Denn das Schwein gilt in der Religion beider Völker als unrein, gar sündig; und verkörpert insofern eine Menge Vorurteile. Jafaars Schock und Verzweiflung über seinen wunderlichen Fang findet auch bald entschlossene Ratgeber: „Du musst diese Schweinerei so schnell wie möglich loswerden, sagt sein befreundeter Barbier (Gassan Abbas), bevor er ihm eine Kalaschnikow in die Hand drückt.
Aber natürlich ist Jafaar für eine kaltblütige „Lösung des Problems“ zu gutmütig. Als tumber Tor wird er darüber hinaus überraschend erfinderisch und geschäftstüchtig. Denn bald darauf schmuggelt er den lukrativen Samen des Ebers in einen Kibbuz, wo sich die Russin Yelena (Myriam Tekaïa) um die Schweineaufzucht kümmert. Die Grenzen sind also durchlässiger als man denkt: Während Jafaars Schwein in Socken und Schafspelz durch den Gaza-Streifen spaziert, gesellt sich einer der israelischen Soldaten zu Fatima, um eine brasilianische Telenovela zu sehen. „Das Hängebauchschwein ist meine Friedenstaube“, kommentiert Estibal seine komische Utopie eines friedlichen Zusammenlebens. Aber bis zum märchenhaften Ende mit seiner versöhnlichen Vision muss der Antiheld noch einige gefährliche Abenteuer im absurden, satirisch zugespitzten Grabenkrieg zwischen Hamas und israelischem Militär bestehen; wobei beide Seiten mal mehr, mal weniger lustig ihr Fett abkriegen.