Warum der Titelheld aus Thomas Roths Film „Brand“ geradezu obsessiv Kranke, Verletzte und Tote fotografiert, ist zunächst unklar und bleibt auch im weiteren Verlauf der ungelenken Handlung spekulativ. Einmal erklärt der von Josef Bierbichler gespielte Schriftsteller seiner krebskranken Frau Martha (Erika Deutinger), dies sei die einzige Arbeit, die er zurzeit tun könne. Der finanziell angeschlagene Brand, der seine Gefühle mittels Fotoapparat auf Abstand hält, arbeitet nämlich an einem Buch übers Sterben. In seiner kruden Leidenschaft trifft also die Verarbeitung eines persönlichen Schmerzes auf die grenzverletzende Lust am Morbiden. Zugleich mischt sich in seine Bilder immer stärker der Kontrast zum Leben, denn Brand verliebt sich in Angela (Angela Gregovic), die junge Krankenschwester seiner Frau. So wird auch die sexuelle Lust zum Sujet seiner Fotos.
Weil beide verheiratet sind, antwortet Brand auf Angelas Gewissensbisse nach dem Liebesspiel mit der rhetorischen Frage: „Was ist falsch, was ist richtig?“ Bevor sich das Netz aus Lügen und Geheimnissen, Misstrauen und Eifersucht über die Beziehungen legt, sind die beiden Protagonisten längst in eine Geschichte verstrickt, die ihre markanten Eckdaten zu schnell setzt und darüber die plausible Entwicklung der Erzählung vernachlässigt. Die Unglaubwürdigkeit dringt gewissermaßen aus den Ellipsen, die Thomas Roth konstruiert, ohne sie dramaturgisch und inhaltlich vorzubereiten. Weil in den Zäsuren nichts nachhallt, verflüchtigt sich das kunstvoll Gemeinte ins Ungefähre, gar Leere. Dieser stoffliche Mangel setzt sich mitunter fort in den teils hölzernen Dialogen eines Drehbuchs, das leider nicht frei ist von Fehlern.
Spannender ist Roths Film in den ersten Szenen, mit denen er die auf Rache zielende Eifersucht von Angelas Ehemann, einem türkischstämmigen Polizisten, etabliert. Wie Celik Caymaz (Denis Moschitto) seinen Gegenspieler Brand in die Konfrontation zwingt und psychisch unter Druck setzt, vermittelt über Blicke und Unausgesprochenes, sorgt für untergründige, irritierende Momente. Nur ist auch hier zu schnell zu viel gesagt, bleiben Stoff und Figuren zu wenige Entwicklungsmöglichkeiten. Immerhin steigert Roth die Eifersuchtsgeschichte im letzten Drittel seines Films mithilfe skurriler Wendungen zu einem gewalttätigen Thriller mit symbolträchtigem Ende.