Zugegeben, es hat ein paar Jährchen gedauert, bis man beim Bayerischen Rundfunk auf die Idee gekommen ist, man könne über Film doch ebenso gut live streiten wie einst im Literarischen Quartett über Literatur. Zum Filmfest München präsentierte die „Kino Kino“-Redaktion am 25. Juni 2011 das neue Format „FilmFight“ – eine Live-Talkshow unter verschärften Bedingungen. Man hatte sich – so stand zu lesen – einiger der besten Filmkritiker hierzulande versichert, hatte das Publikum im Saal großzügig mit Drinks versorgt und im zuverlässig penetrant selbstgefälligen Henryk M. Broder auch die „Ringrichter“-Position des Reich-Ranicki kongenial besetzt: wie Mickey Rourke in „The Wrestler“ zelebrierte Broder als „The Hammer“ seinen Einzug in die Manege, wo bereits ein wohl zwei Köpfe größer gewachsenes Bunny seiner harrte. Unter Zeitdruck sollten nun die ausgewählten Filmkritiker Doris Kuhn, Daniel Kothenschulte, Barbara Schweizerhof, Hans Ulrich Pönack, Rainer Knepperges und Norbert Körzdörfer möglichst kontrovers über Hollywood-Mainstream wie auch über internationale Filmkunst disputieren und dabei nach Möglichkeit ein Fass aufmachen. Laut Redaktion sollte es so kommen: „FilmFight – Der ‚Kino Kino‘ Talk“ ist gelebte Streitkultur und liefert Antworten auf immer aktuelle Fragen: Was können wir in Filmen entdecken und erleben? Was erzählt Kino heute über uns selbst und unsere Zeit? Welchem Film gelingt etwas, welchem gar nichts?“
Ausgesucht hatte man zum Auftakt dafür ein recht buntes Programm: „Alles koscher“, „Brownian Movement“, „Schlafkrankheit“, „Nader und Simin“ und „Larry Crowne“. Doch statt kundigem Räsonnement folgte nur ein ärgerlicher Austausch von mal lustlos, mal echauffiert Dahingemeintem von Pönack, Broder und Körzdörfer gern auf dem Stammtischniveau ihrer Hausmedien abgehandelt. „Was erzählt Kino heute über uns selbst?“ Wenn ein Film vieles offen lässt wie „Brownian Movement“, wenn ein Film gar für „Berliner Schule“ steht wie „Schlafkrankheit“, dann ist das prinzipiell „Bullshit“ (Pönack) oder ein „ARTE-Film nach Mitternacht mit Fernbedienung“ (Körzdörfer). Wenn ein Film schon nicht anders kann, als aus dem Iran zu kommen, dann sollte er mindestens ein paar Berliner Bären in die Waagschale zu werfen haben, damit er für den Boulevard als „bedeutend“ interessant wird. Wer angesichts derart mangelnder Neugier, Offenheit und einem durchs jeweilige Medium bereits deformierte Berufsethos etwa feministische (Kuhn) oder auch allgemein politische Perspektiven (Kothenschulte) in die Runde warf, hatte sogleich verloren – und wurde vom Schreihals Pönack oder vom Ironiker Broder entsprechend populistisch abgewatscht. Einzig Rainer Knepperges verfiel auf die subversive Idee, sich mit trockenen One-Linern am Ringrichter zu reiben. Alle anderen akzeptierten leider nur allzu gerne, dass ein einverständiges Lachen über Broders »freche« Sprüche hier als Billett auf eine gemeinsame Zukunft bei „FilmFight“ hinzunehmen war.