Einen anspruchsvollen Ansatz verfolgt eine neue, von Norbert Grob, Hans Helmut Prinzler und Eric Rentschler konzipierte und herausgegebene, auf acht Bände angelegte Reihe im Reclam-Verlag. Ausgehend von Panofskys Stilbegriff soll versucht werden, „eine andere Perspektive auf die Geschichte des Films zu werfen“. Die Herausgeber formulieren ihr Vorhaben so: „Das Unterschiedliche im Einzelnen soll auf gemeinsame Merkmale hin untersucht werden, das Gemeinsame in den einzelnen, unterschiedlichen Ausdrucksformen gewürdigt werden.“
Eine längere Einleitung gibt den Rahmen der „Stilepoche“ vor, der dann nach Möglichkeit durch Analysen einzelner Filme – hier: von „Zwei unter Millionen“ (1961) bis „Heimat“ (1984) – ergänzt, erweitert und konkretisiert wird. Zugleich – und hier schwächelt das Konzept erheblich – soll jeder Band der Reihe auch als Nachschlagewerk der jeweiligen Stilepoche fungieren. Nicht nur, dass es hierzu mindestens eines Personen- und Filmtitel-Registers bedurft hätte, an dem aber leider unverständlicherweise gespart wurde. Es müssen dafür zudem die exemplarischen Filmbeschreibungen um zumindest kursorische Hinweise auf der Oeuvre des betreffenden Filmemachers erweitert werden, was dazu führen kann, dass der gewählte Einzelfilm gegen das Gesamtwerk ausgespielt wird (Kluge), dass der Autor ein Gesamtwerk skizziert, dass die Stilepoche weit übersteigt (Lemke) oder dass schlicht ausgeblendet wird, dass ein Filmemacher das Filmemachen seit Jahrzehnten eingestellt hat (Syberberg).
Vielleicht ist eine so umfassend erforschte Stilepoche wie die Zeit des Neuen Deutschen Films zwischen 1962 und 1984 auch nur ein unglücklich gewählter Start der Reihe, denn das Buch bietet weder hinsichtlich der Auswahl der Filme (immerhin: die „Berliner Arbeiterfilme“ von Ziewer & Co. wurden endlich einmal nicht vergessen, wenngleich auch nicht zum »Sprechen« gebracht) noch hinsichtlich von Überblick und Einzelanalysen neue Einsichten, die über Thomas Elsaessers Standardwerk zum Thema „New German Cinema“ sonderlich hinausgehen. Okay, es gibt den erwartbar schönen Text von Dominik Graf zu Lemke, es gibt einen überraschenden Text von Michael Althen zu Rudolf Thome, aber sonst kaum Überraschungen, sieht man einmal von der Merkwürdigkeit ab, dass Jutta Brückner und Helma Sanders-Brahms sich gegenseitig für ihre Filme auf die Schultern klopfen müssen. Ein anderes Manko des Buches, geschuldet sicherlich der geschmeidigen Routine, mit der solche Projekte heutzutage wieder oder noch immer tendenziell bargeldlos »gestemmt« werden, ist die prinzipiell affirmative Haltung der Autoren gegenüber den von ihnen gewählten Filmen (Reitz). So erhält man den Eindruck einer »Stilepoche« mit einer ganz erstaunlichen Abfolge von zumindest gelungenen Filmen, ein Eindruck, der sich doch erheblich reibt an dem schlechten Ruf, den der Neue Deutsche Film bei jüngeren Filmemachern und Kritikern mittlerweile durchaus genießt. Man wünschte sich, dass die Herausgeber ein paar jüngere Autoren ins Team der Beiträger gebeten und die gewählten Autoren stärker auf das Konzept der Reihe verpflichtet hätten. So bleibt der Band ein nützliches Brevier für interessierte Neueinsteiger, aber für Kenner der Materie überflüssig.
Norbert Grob, Hans Helmut Prinzler und Eric Rentschler (Hg.): Stilepochen des Films. Neuer Deutscher Film
Reclam Verlag, Stuttgart 2012, 349 Seiten, 9.80 Euro