Was will der Lama mit dem Gewehr?

(BT/TW 2023; Regie: Pawo Choyning Dorji)

Die Dinge in Ordnung bringen

In dem kleinen, relativ abgeschotteten Bhutan scheinen die Menschen zufriedener als andernorts zu sein. Das buddhistisch geprägte Land im fernen Himalaya entwickelt und misst sogar das sogenannte „Bruttonationalglück“ anhand verschiedener wirtschaftlicher und kultureller Parameter. Vielleicht hat diese Zufriedenheit auch damit zu tun, dass Internet und Fernsehen mit ihren tendenziell verderblichen konsumistischen Segnungen erst seit wenigen Jahren verfügbar sind. Trotzdem gibt es nach wie vor ein großes soziales Gefälle zwischen der armen, traditionell eingestellten Landbevölkerung und den westlich orientierten Stadtbewohnern. In dieser Situation kündigt der König im Jahre 2006 nicht nur seinen Rücktritt an, sondern auch die Einführung der Demokratie. Mit Wahlen soll die Bevölkerung nun selbst über die Geschicke des Landes entscheiden.

In diesem „historischen Moment“ setzt Pawo Choyning Dorjis Film „Was will der Lama mit dem Gewehr?“ („The monk and the gun“) ein. Während „James Bond“ über die Bildschirme flimmert und die Modernisten bestrebt sind, „die Vergangenheit hinter sich zu lassen“, hegen andere Bevölkerungsschichten Zweifel am Nutzen der bevorstehenden Veränderungen. Skepsis macht sich gerade dort breit, wo es neuerdings zu Differenzen und Konkurrenzdenken kommt. Selbst in den Familien herrschen jetzt manchmal entgegen früheren Zeiten Unfrieden und Zwietracht. Was sind „geschenkte Rechte“ wert, wenn man nicht für sie kämpfen muss?“, fragt einer. Und eine Mutter, deren Mann jetzt als Wahlkämpfer tätig ist, wünscht sich: „Ich will einfach unser altes Leben zurück, als die Familie noch vereint und glücklich war.“

Der bhutanische Regisseur, der mit seinem vielbeachteten Film „Lunana“ international bekannt wurde, erzählt von diesem facettenreichen gesellschaftlichen Transformationsprozess anhand verschiedener paralleler Geschichten. Ein beschaulicher, langsamer Erzählrhythmus, grundiert von einem leisen Humor, sorgt für deren märchenhafte, unverhohlen idealistische Verknüpfung. Denn als der Lama des Klosters Ura durch die Neuerungen aus seiner Meditationsklausur aufgeschreckt wird, beschließt er, „die Dinge wieder in Ordnung zu bringen“. Für ein bei Vollmond geplantes Ritual soll sein Meisterschüler Gewehre auftreiben, was in dem friedliebenden Land kein leichtes Unterfangen ist. Weil zur gleichen Zeit ein amerikanischer Waffenhändler mit Hilfe eines Fremdenführers nach einem wertvollen historischen Gewehr sucht, kommt es zu einigen geschickt verknüpften Verwicklungen. Und schließlich ist noch ein Team von Wahlkampfhelfern damit beschäftigt, der ziemlich ahnungslosen Dorfbevölkerung das Wählen zu erklären.

Der von wogenden Getreide- und Blumenfeldern gerahmte und mit malerischen Panoramen aufwartende Film zeigt den Verlust der Unschuld im Prozess des Wertewandels, verteidigt auf sanfte, eher zurückhaltende Weise aber zugleich eine Spiritualität, die der zweifelhaften Freiheit einer materialistischen Weltordnung entgegengesetzt ist.

Was will der Lama mit dem Gewehr?
(The Monk and the Gun)
Bhutan/Taiwan 2023 - 107 min.
Regie: Pawo Choyning Dorji - Drehbuch: Pawo Choyning Dorji - Produktion: Pawo Choyning Dorji, Feng Hsu, Stephanie Lai - Bildgestaltung: Jigme Tenzing - Montage: Hsiao-Yun Ku - Musik: Frederic Alvarez - Verleih: MFA+ - Besetzung: Tandin Wangchuk, Tandin Phubz, Kelsang Choejay, Tandin Sonam, Choeying Jatsho
Kinostart (D): 01.08.2024

DVD-Starttermin (D): 05.12.2024

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt15560314/
Foto: © MFA+