The Nun

(USA 2018; Regie: Corin Hardy)

Unheilvolle Dreifaltigkeit

Die James-Wan-Schule des Retro-Grusels: Dichte Nebel, blau-graue Dunkelheit, unruhige Kamerablicke, bedrohlich anschwellende Soundtracks, besessene Figuren, wirkende Geisterhände an unbeseelten Dingen, CGI-gestärkte Monstren, furiose Spektakel im Finale, Jump Scares und deren Andeutung, die Frömmigkeiten der Guten und die Niederträchtigkeit des Bösen, die kleinen Einzeldramen der Figuren inmitten des größeren dämonischen Spuks, die christliche Grundierung, die Verkettung der einzelnen Werke zu eigenen – heimtückischen oder beschwörenden – Kosmologien.

Reichlich angepappt wirken die Verkettungen im neuesten Conjuring-Spin-Off „The Nun“, dessen Samen bereits in „The Conjuring 2“ (USA 2016; Regie: James Wan) und „Annabelle 2“ (USA 2017; Regie: David F. Sandberg) gepflanzt worden war: Zu Beginn wird dem Publikum das Finale aus „The Conjuring 2“ geboten, um den Film als Prequel auszuweisen. Im Epilog werden schließlich Szenen aus dem Ursprungs-Werk „The Conjuring“ (USA 2013; Regie: James Wan) präsentiert, um stolz auf das Ausmaß der inneren Zusammenhänge im selbst kreierten Grusel-Kosmos hinzuweisen.

Angepappt wirken auch die internationalen Schauplätze, die zu Beginn den Vatikan, Großbritannien und Rumänien umfassen und dabei eine Epik anpeilen, die schnell einer Art Drei-Personen-Abenteuer im einsamen Kloster weicht. Denn „The Nun“ ist in seiner Retro-Haltung nicht zuletzt den Hammer Studios verpflichtet, die oftmals ebenfalls kleinere Figurengruppen an einsamen Orten mit dem Unheimlichen in Kontakt kommen ließen. Das von Dörflern gemiedene Kloster, welches auch die Pferde scheuen, die urige Heimeligkeit wildwüchsiger mittel- oder südosteuropäischer Landschaften, rustikale Wirtsstuben voller abergläubischer Gäste: Nie kam die Wan-Schule, deren Retro-Ästhetik eher auf die Spuk- und Gruselfilme der Ära des modernen Horrorfilms (von 1968 bis in die frühen 80er-Jahre) Bezug nahm, dem zweiten großen Horror-Kosmos in der Filmgeschichte (nach Universals Monsterfilmen) näher.

Ein anderer Einfluss spielt aber eine wesentlich größere Rolle: Lucio Fulcis Horrorkino – bzw. sein berüchtigter Splatter-Klassiker „Ein Zombie hing am Glockenseil“ (IT 1980). Fulcis Startschuss seiner losen Gates-of-Hell-Trilogie ließ inmitten einiger Lovecraft-Einflüsse auch jene furchtsame, abergläubische Dorfgemeinschaft einfließen, die man aus Hammers Horrorkino zu genüge kannte. „The Nun“ greift diese Nähe auf und lässt inmitten Hammer-tauglicher Settings zahlreiche ikonische Szenen aus Fulcis Horrorstreifen aufleben: Aus dem Geistlichen, der sich bei Fulci erhängt, wird hier eine Nonne, die ähnlich unvermittelt überall auftaucht und wieder verschwindet; auch hier wird eine der zentralen Figuren lebendig begraben und bei ihrer Befreiung fast (von einem Spaten, nicht mehr von einer Spitzhacke) erschlagen; auch hier zerbirst ein Spiegel ohne triftigen Grund als unheilvolles Omen; auch hier gilt es, ein Tor zur Hölle zu schließen. Die Frau mit ihren warnenden Visionen, das Interesse der Kamera am fauligen Fleisch, vor allem aber die expressiv schmatzende, gurgelnde Tonspur bei den Szenen des Verletzens & Zersetzens – überall Fulci! Nur die Besessenen erbrechen hier nicht ihre eigenen Gedärme, sondern dicke Schlangen.

Mit solchen Versatzstücken erzählt „The Nun“ von Valak, dem Lästerer, der als böse Entität einem ehemals versiegelten Tor entweicht, welches in einem rumänischen Kloster nach Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg aufgebrochen ist. Ein Gesandter des Vatikan, eine britische Nonne und ein frankokanadischer Auswanderer stellen sich dem Bösen, das die Gestalt einer Nonne angenommen hat, entgegen und planen, das Tor mit dem Blut Christi wieder zu versiegeln.

Die bereits mit Valaks erster Erwähnung unlogische Geschichte reiht sich brav in die Wan-Schule ein und trägt im Hinblick auf Farbdramaturgie und Nebelschleier ähnlich dick auf wie das Finale aus „Insidious: The Last Key“ (USA 2018; R: Adam Robitel). Zu den üblichen Poltergeist- und Exorzismus-Einflüssen, welche in der Wan-Schule stets modisch zum fulminanten Spektakel aufgebläht werden, treten diesmal also Hammer und Fulci hinzu: Oldschool-Versatzstücke aus hammerschen Gothic-Horror-Gefilden einerseits, andererseits eine krudere Härte à la Fulci, die sich durch dieses werbeslogangemäß „dunkelste Kapitel“ des Conjuring-Kosmos zieht. Aber weder lässt der Film den naiven Charme der Hammer-Filme aufleben, die zumindest bis Ende der 60er-Jahre verhältnismäßig unironisch ihre Klischees pflegten, noch erreicht der Film die ernsthafte Vehemenz, mit welcher Fulci sich an der Versehrtheit menschlicher Leiber abarbeitete, um Horror hocheffektiv als Auflösung der bekannten Formen zu präsentieren.

Die Wan-Schule hat in „The Nun“ beide Konzepte in sich aufgesogen und im postmodernen Spiel verwässert: Hier dominiert gewaltig, was auch zuvor den Retro-Horror à la Wan charakterisierte – das augenzwinkernde Spiel mit Erwartungshaltungen des Publikums. Dem Schock geht eine langwierige Erwartung voraus. Er wird angekündigt und vom Publikum auch erahnt und kommt dann dennoch als Überraschungseffekt, indem die Kamera lange Seitwärtsfahrten vollführt, das Unheilvolle dann aber von oben in das Bild hineinstürzt, indem potentiell bedrohliche Figuren im Hintergrund vermutet werden dürfen, dann aber von der Seite ins Bild rasen. Das Publikum wird mit einer permanenten Anspannung bei gleichzeitig hoher Schock-Dichte versorgt.

Aber wie bei den übrigen Conjuring-Spin-Offs mit Gary-Dauberman-Drehbüchern übertüncht dieses effektive Spiel mit dem Publikum auch die Dramen und die Tiefe der Figuren, die hier besonders holzschnittartig durch eine eher unausgereifte Handlung wandeln. Und so ist „The Nun“ bloß das filmische Pendant zur Geisterbahnfahrt, dank handwerklicher Routine hauchzart über dem Mittelmaß liegend, aber insgesamt kaum der Rede wert.

Benotung des Films :

Christian Kaiser
The Nun
USA 2018 - 96 min.
Regie: Corin Hardy - Drehbuch: James Wan, Gary Dauberman - Produktion: Peter Safran, James Wan - Bildgestaltung: Maxime Alexandre - Montage: Michel Aller, Ken Blackwell - Musik: Abel Korzeniowski - Verleih: Warner Bros. - FSK: ab 16 Jahren - Besetzung: Demián Bichir, Taissa Farmiga, Jonas Bloquet, Bonnie Aarons
Kinostart (D): 06.09.2018

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt5814060/
Foto: © Warner Bros.