Welcome to Sodom

(AUT/GH 2018; Regie: Christian Krönes, Florian Weigensamer)

Science-Fiction ohne Zukunft

Einen besonderen Blick auf das Thema Datenschutzgrundverordnung bietet der Film „Welcome to Sodom“ recht einschlägig in seinem Untertitel: „Dein Smartphone ist schon hier“. Mit „Dein“ wird hier der besserverdienende Teil der Weltbevölkerung angesprochen. Um dessen ausgemusterte Elektroware geht es hier, und schau an: Da sind ja noch die Urlaubsfotos drauf!

250.000 Tonnen E-Schrott landen jährlich in Agbogbloshie, einem Stadtteil der ghanaischen Hauptstadt Accra. Ursprünglich sollten ausrangierte Computer und Telefone hier die Wirtschaft anschieben, Müllhändler haben daraus aber ein recht großes Geschäftsmodell entwickelt. Die Hardware-Leichen werden illegal gegen Schwarzgeld verklappt und danach ausgeweidet. Die Ortschaft firmiert auch als titelgebendes „Sodom“ oder „Toxic City“: Umweltexperten raten, man solle sich besser nicht länger als zwei Stunden dort aufhalten. Bis zu den Knien im Schrott stehen rund 6.000 Menschen; sie wohnen auf der Deponie, ziehen dort Kinder auf, halten Rindviecher.

Als Filmemacher kommt man an dem Ort schlecht vorbei, und den Regisseuren gebührt Dank für ihre hervorragenden Bilder. An vielen Orten glühen die Plastikscheiterhaufen, die Metallreste in den Computern, Druckern und Klimaanlagen werden einfach herausgebrannt.

Man könnte reine Lust am cineastischen Schauwert unterstellen, die toxische Stadt auf die Leinwand zu bringen, legitim wäre dies – wir wagen einen Ein Blick hinter die Kulissen Europas. Würden nicht auch die Müllwerker ihre Lebensgeschichten erzählen: Da ist der schwule Jude David, der sich im Müll noch sicherer fühlt als sonstwo auf der Welt. Da ist das Mädchen Kwasi, das sich in einen Jungen verwandelt, um in Ruhe Metall sieben zu können. Da ist die Witwe Fauzia, die Wasser ausgerechnet in Plastikbeuteln verkauft und sagt: „Hier siehst du mit 44 Jahren aus wie mit 70.“ – „Hier kommst du nie wieder weg“, philosophiert der Müllsammler, der es sich auf gefundenen Särgen gemütlich macht.

Dieser alttestamentarische Ort ist ein kosmopolitischer; eine Stadt auf irgendeinem Schrottplaneten in der Galaxis, die die unsere ist. „Welcome to Sodom“ ist Science-Fiction ohne Zukunft. Ein gleichermaßen wunderbares wie erschreckendes Stück Kino.

Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret

Benotung des Films :

Jürgen Kiontke
Welcome to Sodom
Österreich/Ghana 2018 - 90 min.
Regie: Christian Krönes, Florian Weigensamer - Drehbuch: Roland Schrotthofer, Florian Weigensamer - Produktion: Christian Krönes, Roland Schrotthofer - Bildgestaltung: Christian Kermer - Montage: Christian Kermer - Verleih: Camino Filmverleih - FSK: ab 6 Jahren - Besetzung: Mohammed Abubakar, Awal Mohammed, Kwasi Yefter
Kinostart (D): 02.08.2018

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt8116550/
Link zum Verleih: http://www.camino-film.com/filme/welcometosodom/
Foto: © Camino Filmverleih