Taxi Hunter

(HK 1993; Regie: Herman Yau)

Ein komödiantischer Taxifahrer(jäger) auf kantonesisch

Das Schicksal meint es offenbar nicht gut mit dem bürgerlich braven Versicherungsvertreter Kin (Anthony Chau-Sang Wong). Nicht nur, dass er so unterwürfig und gutmütig ist, dass es für die skrupellos korrupten Taxifahrer der Stadt ein Leichtes ist, ihm mit ihren abgekarteten Spielen im Straßenverkehr Unsummen von Geld aus der Tasche zu ziehen, einer von ihnen, dem mit krummen Touren seine Kunden auszunehmen offenbar wichtiger ist als ein Menschenleben, überfährt auch noch eines Nachts seine hochschwangere Frau (Hoi-Shan Lai). Sein Boss, der ihn kurz zuvor noch zum Mitarbeiter des Monats ernannte, zeigt für den schweren Schicksalsschlag wenig Verständnis. Also steht unser Antiheld im strömenden nächtlichen Regen, das Bier in der Hand, in dem er nun seinen Schmerz zu ertränken trachtet.

Herman Yau wurde 1961 geboren und dreht seit den frühen Neunzigern unermüdlich einen Film nach dem anderen – gerne auch mal vier in einem Jahr. Splatter-Aficionados ist er vor allem wegen seinen derben Cat III-Schockern (die Abkürzung steht für die höchste Altersfreigabe in Hongkong, entspricht also der deutschen FSK18, wird aber dort nur an besonders harte Filme vergeben) wie „Ebola Syndrome“ (1995) oder der „The Untold Story“-Reihe (1993, 1998, 1999) ein Begriff. Seine Variation amerikanischer Vorbilder wie den im selben Jahr entstandenen „Falling Down“ (Joel Schuhmacher), aber insbesondere „Taxi Driver (Martin Scosese, 1976) fällt was die Drastik der Gewaltdarstellung anbelangt wesentlich zahmer aus, wartet dafür aber mit einer hinreißend durchgeknallten Melange aus reichlich derangierter Komik, so bitteren wie düsteren melodramatischen Momenten und Actionszenen auf.

Jedenfalls hat Kin nun endgültig die Schnauze voll von den mafiösen Taxi-Machenschaften, besorgt sich eine Knarre und beginnt sich nachts im Taxi durch die Stadt kutschieren zu lassen – und wehe dem Fahrer, der versucht ihn übers Ohr zu hauen. Nun will aber auch so ein Rächerdasein gelernt sein. Das beginnt schon damit, dass der Monolog vor dem Spiegel bei ihm wesentlich weniger bedrohlich wirkt als bei Travis Bickle, dem von Robert De Niro gespielten Protagonisten in Scorseses bahnbrechendem Klassiker, und auch die Kanone flutscht hier nicht wie auf Schienen, sondern verhakt sich ständig in der verdammten Hosentasche. Kins bester Freund ist der Polizist Yu Kai Chung (Rongguang Yu), der bald auf den Fall des mysteriösen Taxifahrerjägers angesetzt wird. Die Konstellation wird dadurch noch zusätzlich verkompliziert, dass sein Partner undercover nach dem Mörder sucht.

Letzterer zeichnet dann auch hauptsächlich für den comic relief verantwortlich und wird von Man-Tat Ng wirklich hinreißend herzig gegeben. Schon seine weiten Klamotten mit den protzigen Logos verschiedenster amerikanischer Profisportvereine und das immer verkehrt herum auf dem Kopf sitzende Basecap, an das er sich dann auch schon mal seinen Dienstausweis heftet, bieten eine Parodie auf die Verehrung westlicher Vorbilder (etwa Elvis in „Bullet in the Head“) durch die männlichen Protagonisten in Hongkong-Filmen, die sich gewaschen hat. Als Kin in sein Taxi steigt, ihn als böse einstuft und auf der Flucht anschießt, spitzen sich die Geschehnisse immer weiter zu. Und auch ein wutentbrannter Mob demonstrierender Taxifahrer hat schließlich mit dem nächtlichen Rächer noch ein Hühnchen zu rupfen.

Auch wenn der Film beständig zwischen dramatischen Höhepunkten und tief empfundener Melancholie changiert, bleibt er dabei jedoch in seinem Herzen eine nachtschwarze Komödie.

Gesehen in der Reihe „Splendid Isolation: Hong Kong Cinema 1946-1997“ im Berliner Kino Arsenal.

Benotung des Films :

Nicolai Bühnemann
Taxi Hunter
(Di shi pan guan)
Hongkong 1993 - 89 min.
Regie: Herman Yau - Drehbuch: Wing Kin-Lau - Produktion: Hung Way Tony Leung, Anthony Lo, Stephen Shin, Rongguang Yu, Hoi-Shan Lai, Man-Tat Ng, u.v.a. - Bildgestaltung: Puccini Yu - Montage: Wing-Ming Wong - Musik: Bon Wong - Verleih: Galaxy Films Ltd. - Besetzung: Anthony Chau-Sang Wong,
Kinostart (D): 14.03.1993

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt0106714/
Foto: © Galaxy Films Ltd.