Hubert von Goisern – Brenna tuat’s schon lang

(D / A 2015; Regie: Marcus H. Rosenmüller)

Ein Mann kann eine Brücke sein

Wenn Hubert von Goisern nicht gerade back to the roots mit kleinem Geschirr durch österreichische Weltgegenden tourt, wo noch immer „Starsky & Hutch“-Filmplakate an den Kneipenwänden hängen, dann macht er Projekte, die sich sehr gut lesen, wenn man gerade Kulturhauptstadt ist oder UNESCO-City of Music werden will oder Vertreter für mannshohe „Red Bull“-Werbedosen ist. Dann nämlich hält von Goisern es mit Knut Kiesewetter und ruft: „Fahr mit mir den Fluss hinunter!“ Oder hinauf.

Egal. Donau oder Rhein, einerlei. Hauptsache, es wird „Europa praktiziert“. Und weil Hubert von Goisern mit seinem alpinen Crossover-Rock bei öffentlich-rechtlichen Kultur-Redakteuren immer schon einen Stein im Brett hatte, sind diese Projekte auch bestens dokumentiert. Was natürlich eine Steilvorlage ist, wenn man die brennende Frage in den Raum stellt: „Was hat Hubert von Goisern eigentlich zwischen seinen großen Erfolgen Koa Hiatamadl und Brenna tuat’s guat gemacht? Koan Schimmer?

Ein guter Ausgangspunkt für die Gesamtschau auf ein singuläres Künstlerleben? Fanden jedenfalls die Archivare Marcus H. Rosenmüller (Regie) und Johannes Kaltenhauser (Kamera) – und setzen Alpenrocker Hubert frühmorgens in ein Boot auf dem Hallstätter See. Zum Angeln und zum Philosophieren. Über das Leben und so. Und wie man seinen Platz im Leben und als Musiker seinen Sound findet. Und natürlich noch viel mehr. Dazu Rosenmüller im Presseheft: „Angeln als Motiv, als Metapher und als klares Zeichen, dass man sich Zeit nimmt. (…) Schließlich steht diese Tätigkeit (das Angeln – U.K.) für vieles: Zum einen für einen Charakterzug und eine persönliche Leidenschaft von Hubert von Goisern. Daneben kann sie aber mehrere, für mich als Regisser passende und den filmischen Raum öffnende Interpretationen erlauben. So zum Beispiel als Zeichen der Gefahr, in die sich ein Künstler begibt. Die Gefahr, mit seinem Kahn unterzugehen. Dann die Fähigkeit, sich in Geduld zu üben, den richtigen Köder ausgeworfen zu haben. Aber auch das Vertrauen zu haben, dass es in dem Gewässer der Kunst überhaupt jemanden gibt, der anbeißen könnte. Eine weitere Interpretation wäre das Universelle: als Künstler von einer bestimmten Zeit/Welle/Stimmung getragen zu werden. Mittler zwischen Himmel und Unterwelt (die Spiegelung des Himmels im Wasser). Zuletzt noch die religiöse Interpretationsmöglichkeit: Der Künstler als Fischer, als Glaubensvermittler.“

Nicht unspannend also zu sehen, wie orientierungslos der Angler anfangs seinen Weg als NDW-Epigone machte, bevor er seinen Blues elektrifizierte, seine Texte (leicht) politisierte und seine ganz persönliche Welle fand. Schließlich kommt der Haider Jörg auch aus dem Städtchen, dem der Hubert aus Protest seinen Namen abgetrotzt hat. Da ist auf Fanseite manches Missverständnis möglich, zum Beispiel Alpenrock hören und Haider wählen. Wobei Hubert von Goisern eben auf dem Höhepunkt der Popularität der Alpinkatzen hinwirft und in die Welt hinauszieht, um in Afrika mit Eingeborenen zu rocken (was seiner Musik zum entschiedenen Vorteil gereicht) bzw. die Eingeborenen lächelnd nach seiner Pfeife tanzen zu lassen (was uns beim Zusehen etwas aufstieß): „Damit eine Vertrautheit entsteht zwischen den Kontinenten“, sagt Hubert, der auch nach Austin, Texas reist, um gefühlte 10 Jahre nach FSKs „Pennsylfawnisch Schnitzelbank“ die bierseeligen Amis mit „Alpengrunge“ zu entertainen. „Es sind Dinge entstanden, die sind nicht vorstellbar“, heißt es an einer Stelle des Films.

Auch kaum vorstellbar, aber für die Nachwelt bestens dokumentiert, wie die üblichen Deutschrock- und Kirchentagssoul-Verdächtigen den Rhein hinauffahren, um ihre ganz persönliche Version der „Rolling Thunder-Revue“ zu leben. Der Wecker geht an Bord; Niedecken mit Blumen am Hut. Man muss Risiken eingehen im Leben, sich verschwenden, weiß der Alpen-Philosoph zu raten. Für den enttäuscht sich wendenden Zuschauer heißt das zunächst einmal: für von Goisern bezahlen und Naidoo bekommen. Nepp. The Last Waltz of Europe.

(keine Wertung möglich)

Hubert von Goisern - Brenna tuat's schon lang
Deutschland, Österreich 2015 - 95 min.
Regie: Marcus H. Rosenmüller - Drehbuch: Marcus H. Rosenmüller, Hage Hein - Produktion: Kurt Langbein, Hage Hein - Bildgestaltung: Johannes Kaltenhauser - Montage: Petra Hinterberger - Verleih: movienet - FSK: ohne Altersbeschränkung - Besetzung:
Kinostart (D): 23.04.2015

DVD-Starttermin (D): 30.11.-0001

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt4609954/?ref_=fn_tt_tt_5