Howl – Das Geheul

(USA 2010; Regie: Robert Epstein, Jeffrey Friedman)

Aufheulende Jugend

“Howl“, der neue Dokuspielfilm von Rob Epstein und Jeffrey Friedman („Wer war Harvey Milk?', 1984; „Paragraph 175', 2000) erinnert an das legendäre Gedicht, mit dessen Geheul Allen Ginsberg 1957 die Beatnik-Zeit einleitete. Von Ginsberg in kleinem Kreis vorgetragen und dann in einer Miniauflage gedruckt, wurde 'Howl' sehr schnell zum allgemein interessierenden Justizfall. Ein Text mit Outing-Sätzen wie “… who let themselves be fucked in the ass by saintly motorcyclists, and screamed with joy“, – gehörte der nicht verboten?

Ja, “Howl” ist zu einem Teil ein Gerichtsfilm. Wird der Richter verbieten? Wird er die Kunstfreiheit respektieren? Spannung – in Grenzen. Bekanntlich siegte zur Blütezeit der US-amerikanischen Prüderie überraschend die Freiheit der Kunst. Und damit wurden die drei Freunde – Jack Kerouacs „On the Road“ erschien Monate später, 1959 dann „Naked Lunch“ von William S. Burroughs – die Drei also wurden zum Kult einer Bewegung, die sich bewusst sozial abgrenzte, autonom und frei sein wollte. Die Beat Generation.
Soweit die Informationen, vom Film pädagogisch korrekt vermittelt.

Auf einer anderen Schiene versucht der Film den Geist, das Gefühl und die Haltung dieser aufheulenden Jugend zu vermitteln. Zwar ein historischer Vorgang, wenn in einem fiktiven Rückblick alte Herren dieser Zeit gedenken, jaja – ein eher peinlicher Vorgang, wenn in einer Wiederbelebung (reenactment) die Zeit von 1957 nachgespielt wird. Interessanter, wenn auf einer weiteren Schiene Animationen durchs Bild laufen, basierend auf Illustrationen des Ginsberg-Mitarbeiters Eric Drooker. Im Ergebnis aber ziehen die Montage und der Schnitt, die eigene Sprache von Epstein und Friedman, in den Bann, und nach einigem Anlauf lässt man sich auf den Filmrhythmus ein, der der „Sprache“ des Bebop folgt (der musikalisch die Führung übernimmt).

Das Geheul-Gedicht rezitiert im Film James Franco für den jungen Ginsberg. 30 Jahre war der damals alt – und der Anti-Traum Amerikas: Sohn einer aktiven Kommunistin, ein jüdischer homosexueller Kosmopolit, der sich vernehmbar machte. Der Traum der hebräisch-sozialistischen Revolution ist nicht vergessen. Wer singt die Internationale gegen den Nationalfaschismus?
Okay, Ginsberg hat mit „Howl“ eine Bewegung angestoßen. Die Verständigung lief aber eher über Leidenschaft und Wortgestus als über Argumentation. Verbunden waren die Beatniks durch gemeinsame Anschauung, körpersprachlich und poetisch vermittelt, und im Ergebnis gelingt auch das poetische Experiment dieses Films.

Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 01/2011

Eine weitere Kritik finden Sie unter diesem Link.

Howl - Das Geheul
(Howl)
USA 2010 - 90 min.
Regie: Robert Epstein, Jeffrey Friedman - Drehbuch: Robert Epstein, Jeffrey Friedman - Produktion: Robert Epstein, Jeffrey Friedman - Bildgestaltung: Edward Lachmann - Montage: Jake Pushinsky - Verleih: Pandora - FSK: ab 12 Jahren - Besetzung: James Franco, David Strathairn, Jon Hamm, Bob Balaban, Todd Rotondi, Aaron Tveit, Jon Prescott, Mary-Louise Parker, Jeff Daniels, Alessandro Nivola, Treat Williams
Kinostart (D): 06.01.2011

DVD-Starttermin (D): 30.11.-0001

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt1049402/