broken flowers jarmusch murray

Magische Momente 03

Broken Flowers
von Klaus Kreimeier

Der Computerfachmann Don Johnston (Billy Murray) sitzt in seiner dunklen Wohnung, auf einem dunklen, rostroten Ledersofa, an den dunklen Wänden hängt abstrakte Kunst. Ein Bauhaus-Interieur dämmert, streng orthogonal gefügt, vor sich hin. Selbst die Designerlampe neben dem penibel rechteckigen Couchtisch geizt mit Licht. Gedankenfern, zeitabgewandt sitzt Bill Murray da, aus dem Fernsehapparat strömen Bilder, sie strömen durch ihn hindurch. Später rieselt eine Arie aus dem CD-Player, sie rieselt an ihm herab. Reglos, als sei ihm ein Blitz bis in die Fersen geschlagen, betrachtet der Mann seine dunkle Behausung. Nach einer Weile neigt sich unvermittelt sein Oberkörper zur Seite, hängt einen Augenblick steif in der Schräge – und klappt schließlich aufs Sofa, als habe er sich vom Rest des Körpers gelöst. Langsam zieht Murray die Beine nach. Irgend etwas hat ihn umgehauen.

Eigentlich haut nichts Don Johnston so schnell um. Gerade hat ihn seine Freundin verlassen, damit beginnt Jim Jarmuschs Film „Broken Flowers“. Wortkarg, geistesabwesend hat er es zur Kenntnis genommen. Gleichzeitig hat ihn ein Brief ereilt, anonym, Schreibmaschine auf rosarotem Papier, aus dem er erfährt, dass er einen fast erwachsenen Sohn hat, der entschlossen ist, seinen Vater zu suchen. Auch diese Nachricht bringt Don nicht gerade aus dem Gleichgewicht, er ist nur müde, ein bisschen daseinsmüde – ein alternder Junggeselle, der mit angezogener Bremse lebt und dem Leidenschaften, gar Liebe eher lästig geworden sind. Was tun? Don Johnston blickt den Couchtisch, die Lampe, die dunklen Wände an. Auf dem Couchtisch stehen Glas und Flasche, zweimal zuckt es in seiner Hand, doch Glas und Flasche bleiben unberührt.

Fünf Liebschaften gab es in jener Zeit, vier Frauen (Sharon Stone, Frances Conroy, Jessica Lange, Tilda Swinton) könnten die Briefschreiberin, könnten die Mutter seines Sohnes sein. Auf das Road Movie, das nun beginnt, hat Don eigentlich keine Lust. Amerika ist groß, das viele Herumfliegen und Autofahren unbequem, und außer der Einsicht, dass Abgelebtes nicht wiederbelebt werden sollte, kommt nicht viel dabei heraus. Am Autofenster gleitet, in stumpfen, geheimnislosen Farben, jenes Suburbia vorbei, das schon Walker Evans’ Fotografien der 30er Jahre, später die schwarz-weißen B-Movies der 50er vermessen haben: Transitlandschaften mit endlosen Highways und einsamen Tankstellen, Holzhäusern, Motels und schäbigen „country stores“, den abgezirkelten Grünflächen und Parkbuchten vor weißen Bungalows. Sehnsüchte vagabundieren hier: die der Amerikaner nach einem Ort in der Weite ihres Landes – und die des Durchreisenden, alsbald weiterzureisen.

Gegen Ende des Films wird Don Johnston, versunken in ferne Gedanken, auf einem Friedhof stehen, am Grabe einer Frau, die er einmal geliebt hat, sie ist schon seit vielen Jahren tot. Es regnet, Don setzt sich still unter einen der alten Bäume, Trauer verschattet sein Gesicht. Und ganz am Ende glaubt er, seinen Sohn gefunden zu haben. Aber der Junge flüchtet vor ihm, als sei er ein Gespenst.

Dieser Text ist zuerst erschienen in: ray Filmmagazin

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Foto: © Universum