Straight Outta Compton

(USA 2015; Regie: F. Gary Gray)

Ziemlich beste Freunde

Bisschen Geschichtsunterricht gefällig? Also: es waren einmal fünf Typen, die sich Mitte der 1980er Jahre für HipHop interessierten oder als Drogendealer so viel Geld verdienten, dass sie als Kunst-Mäzenaten tätig werden konnten. Nennen wir sie der Einfachheit halber doch Dr. Dre, Ice Cube, DJ Yella, MC Ren und Easy-E. Nach einigem Hin-und-Her gründeten sie schließlich eine Crew mit dem Namen N.W.A., was die Abkürzung für Niggaz Wit Attitude ist, die wiederum ihr Debütalbum „Straight Outta Compton“ nannten, weil es genau daher kam.

Compton, ein Stadtbezirk von Los Angeles, galt einmal als der gefährlichste Ort der USA: Drogenhandel, Bandenkriege, Polizeiwillkür, you name it. N.W.A. machten aus Compton „Compton“ – einen Popmythos. Obwohl sie, wie sie selbst sagten, mit ihrer Musik nur ihre Alltagsrealität abbildeten. Signaturtrack von N.W.A. war „Fuck Tha Police“, ein Track, der auf den Index kam, der die CIA beschäftigte, aber auf MTV nicht gespielt wurde.
N.W.A. war eine etwas prollige Partytruppe – wer etwas auf sich hielt, 1988, hörte eh lieber Public Enemy, Boogie Down Productions oder Eric B. & Rakim -, die plötzlich eine politische Trumpfkarte im Gepäck hatten.

Co-produziert von Dr. Dre und Ice Cube erzählt „Straight Outta Compton“ jetzt recht kurzweilig, konventionell und abenteuerlich synchronisiert, die Geschichte von „Fuck Tha Police“ und wie es kam, dass fünf Jungs Gangsta-Rap erfanden. Weil sie tatsächlich eine „Attitude“ hatten und Polizeiwillkür am eigenen Leib erfuhren. Darauf legt der Film sehr viel Gewicht, was dem Film angesichts der Ereignisse von Ferguson bis Detroit eine erstaunliche Aktualität verleiht.

In einer Schlüsselszene des Films stehen die Musiker während einer Arbeitspause essend und trinkend vor dem Studio herum, als sie von Polizisten grundlos gezwungen werden, sich auf den Boden zu legen. Besonders aktiv ist dabei ein farbiger Cop. Erst ein nachdrückliches Eingreifen ihres weißen Managers Jerry Heller befreit die Musiker aus ihrer misslichen Lage. Mit verständlicher Wut im Bauch gehen die Musiker ins Studio und nehmen spontan „Fuck Tha Police“ auf.

Der Track wird ein Hit, aber auf Tour gibt es, klar, Schwierigkeiten, weil, zum Beispiel in Detroit, die Polizei verbieten will, dass der Track performt wird. Sonst … Natürlich lassen sich N.W.A. das Rappen nicht verbieten und werden von dubiosen Gestalten von der Bühne gejagt. Draußen schreit das Publikum: „Fuck Tha Police“! CNN für Niggaz. Auftritt: Rodney King. Und dann die L.A. Riots von 1992. Trotzdem folgt auf den Erfolg die Ernüchterung, weil der (jüdische) Manager Easy E. zum Star machen will und die Kollegen übervorteilt, was zunächst nur der zornige Ice Cube bemerkt und die Crew verlässt, um an der Eastcoast noch zorniger zu rappen. Und mit der Nation of Islam zu liebäugeln, was dem Film aber nur eine Fußnote wert ist.

Ebenfalls nur eine Fußnote sind die ganzen, stets leicht bekleideten (weißen!) Chicks, mit denen Party gemacht wird, als gäbe es kein Morgen. Sexismus? Fehlanzeige! Die Jungs achten ihre Mütter, die stets das Beste wollen und sind auch sonst nur promisk, weil das Geschäft eben so läuft. Schließlich merken auch Easy E. und Dr. Dre, dass dem Manager nicht über den Weg zu trauen ist, aber da steht schon Beef mit den alten Kumpels im Raum. Man kommuniziert nur noch über Diss-Tracks, bis Easy E. in einem lichten Moment Ice Cube die Hand reicht. Versöhnung, Nigga? Dr. Dre, der eigentlich immer nur seine perfekten Beats schrauben wollte, hat plötzlich richtig unangenehme Freunde wie Suge Knight vom Death-Row-Label. Dessen Posse tut nicht nur so, als seien sie Gangsta.

Die haben Kampfhunde, echte Waffen und schlechte Manieren, während aus den Kulissen dann plötzlich Snoop Dog und Tupac auftauchen, die noch ganz am Beginn ihrer Karrieren stehen. Wobei die von Tupac ja eher kurz ausfallen sollte. Aber der Film konzentriert sich jetzt lieber auf Easy E., der plötzlich immer husten muss. Was dem bereits beschlossenen Comeback der Freunde den Garaus macht. AIDS, Mann! Scheiße! Jetzt wird der Film zum zweiten Mal ziemlich sentimental, denn als Dr. Dres kleiner Bruder starb, da war es Easy E., der ewige Treue und Zusammenhalt unter Brüdern beschwor. Keep it real! Fortsetzung folgt. Gern auch von der Eastcoast.

Benotung des Films :

Ulrich Kriest
Straight Outta Compton
(USA)
USA 2015 - 147 min.
Regie: F. Gary Gray - Drehbuch: Andrea Berloff, Jonathan Herman, S. Leigh Savidge, Sheldon Turner, Alan Wenkus - Produktion: Matt Alvarez, Scott Bernstein, Ice Cube, Dr. Dre, David Engel, F. Gary Gray, Bill Straus, Tomica Woods-Wright - Bildgestaltung: Matthew Libatique - Montage: Billy Fox, Michael Tronick - Musik: Joseph Trapanese - Verleih: Universal - FSK: ab 12 Jahren - Besetzung: O'Shea Jackson Jr., Corey Hawkins, Jason Mitchell, Neil Brown Jr., Aldis Hodge, Marlon Yates Jr., R. Marcos Taylor, Carra Patterson, Alexandra Shipp, Paul Giamatti, Elena Goode, Keith Powers, Joshua Brockington, Sheldon A. Smith, Keith Stanfield
Kinostart (D): 27.08.2015

DVD-Starttermin (D): 30.11.-0001

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt1398426/