Pfarrer

(D 2014; Regie: Stefan Kolbe, Chris Wright)

„Das fließt jetzt irgendwie auch nicht aus mir heraus!“

„Ach, Mann. Scheiße!“ Auch das Segnen in der Kirche will gelernt sein. So wie die Stimme geübt sein will, um souverän den Raum zu erfüllen. Und die Gesangslinien. Und die Rhetorik sowieso. Training. Die Filmemacher Stefan Kolbe und Chris Wright („Kleinstheim“) haben eine Gruppe junger Vikare in ihrem Trainingslager in der „Lutherstadt“ Wittenberg besucht und sie auf der letzten Etappe ihrer Ausbildung begleitet. Das Vikariat ist die letzte Station vor dem Pfarramt, aber diese Station, so zeigt der Film, ist keine Routine, sondern tatsächlich eine Phase verschärfter Selbstbefragung.

„Welche Art von Pfarrer würde ich denn werden, wenn ich denn einer werden würde?“, wird einmal gefragt. Entschieden ist noch wenig oder gar nichts. Es steht also, sagen die Filmemacher, buchstäblich alles auf dem Spiel, bevor es anschließend in der Gemeindearbeit richtig ernst wird. Um so erstaunlicher ist dieser „Nahfilm“ (Kolbe) gelungen, weil sich die Filmemacher immer wieder als dezidiert atheistisch zu erkennen geben. Und einfach mal fragen: Was bedeutet denn das Abendmahl genau? Und dürfen wir mitmachen? Dann ergibt sich schon mal ein kleiner Disput unter den Vikaren. Aber die Kunst der Dokumentaristen besteht gerade darin, dass sie eine Nähe zu den beobachteten Menschen herstellen, die es diesen nicht mehr erlaubt, sich in vorgestanzte theologische Allgemeinplätze zu flüchten. Sondern es geradezu billig erscheinen lässt, um ehrliche Antworten zu ringen.

So sagt die Pfarrerstochter, die auf dem Weg ist, die Familientradition fortzusetzen, vor laufender Kamera: „Mein Vater hält ganz tolle Predigten. Aber eher so klassisch: also so, liebe Gemeinde, hier, kennen wir das nicht alle? hmhmhmhm, und frei, sind wir nicht irgendwie alle im Gefängnis?, Singen befreit, joa“. Sie, die ihren Vater im Studium noch gern und vielleicht aus einer Mischung aus Respekt und Bequemlichkeit bemühte, um sich Predigttexte schreiben zu lassen, ringt jetzt um eine eigene Predigt-Stimme.

Der Blick auf die Vikare ist aufrichtig neugierig, hält aber die eigene (kritisch-distanzierte) Position nicht hinter dem Berg. Gezeigt wird aber trotzdem, wie intellektuell redlich und verbindlich eine „Selbstklärung“ unternommen wird, die der Verantwortung der Berufsperspektive gerecht zu werden trachtet. Wenn eine Vikarin es ganz stark findet, dass es die Gewissheit gibt, dass am Sonntagmorgen um 10 Uhr an ganz vielen Orten von ganz vielen Menschen das Gleiche getan werden wird, dann hält der Film vor Augen, dass die „Lutherstadt“ Wittenberg in Sachsen-Anhalt liegt, wo knapp zwei Drittel der Bevölkerung überhaupt keiner christlichen Kirche angehören. Aber dank der dokumentarischen Erzählstrategie wächst beim Zuschauer eher der Respekt vor der Entscheidung der jungen Vikare, diesen undankbaren Job zu machen, als dass man sie als Auslaufmodell verlacht.

Auf eine entscheidende Sache weisen die Filmemacher selbst hin: dieses intensive Gruppenporträt bezieht seine Stärke auch daraus, dass hier Protestanten und keine Katholiken vor der Kamera agieren. Es geht also immer auch um die (protestantische) Tradition der forcierten Selbstbefragung, die am historischen Ort Wittenberg nochmals nachhaltig verstärkt wird. Am Ende bleibt selbst die entscheidende Frage nicht ungestellt: „Was sagt denn der Chef?“ Nur bleibt sie wieder einmal unbeantwortet.

Benotung des Films :

Ulrich Kriest
Pfarrer
Deutschland 2014 - 90 min.
Regie: Stefan Kolbe, Chris Wright - Drehbuch: Stefan Kolbe, Chris Wright - Produktion: Heino Deckert - Bildgestaltung: Stefan Kolbe - Montage: Chris Wright - Verleih: Salzgeber - FSK: ohne Altersbeschränkung - Besetzung:
Kinostart (D): 10.04.2014

DVD-Starttermin (D): 30.11.-0001